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Paarl

 

Im Eingangsbereich ist eine Bronzetafel in den Boden eingelassen, auf der steht: „Dit Is Ons Erns“. Das ist uns ernst, ließen die Stadtväter Paarls in die wuchtige Metallplatte eingravieren. Afrikaans, die Sprache der Buren, aber auch die Sprache Südafrikas; ein Schmelztiegel der verschiedensten Idiome. Die ersten Siedler bedienten sich noch reinem Holländisch, aber schon bald flossen Wörter aus Xhosa, Zulu, Venda, aus Westafrika, aus Malaysia, aus Indonesien und aus Madagaskar ein und bereicherten und veränderten den Wortschatz der Siedler. In späteren Jahren ließen sich Hugenotten in den Gegenden um Paarl nieder und brachten die Kunst des Weinanbaus und natürlich das Französisch mit. All diese Sprachen wurden schließlich zu dem, was man heute Afrikaans nennt, wobei man nicht zuletzt das englische Idiom nennen muss, welches über lange Jahre großen Einfluß auf den südafrikanischen Wortschatz ausübte. Eine einzigartige Sprache also, der 1975 in Paarl ein Denkmal errichtet wurde.

Paarl ist eine der größten Städte außerhalb der Cap Metropole, wirkt aber dennoch verschlafen und gemächlich. Die Zeit scheint hier, wie in vielen anderen südafrikanischen Städten stillzustehen oder sie richtet sich nach dem Reifen des Weins oder anderer Früchte. Eingebettet zwischen den Peerlbergh Mountains (dem zweitgrößten Granitmassiv der Welt) und den Toitkloof Mountains wirkt der Ort wie eine Oase, in der bedingt durch mediterranes Klima von Wein bis Aprikosen alles gedeiht.

Den Namen Paarl (Perle) erhielt die Stadt durch den Siedler Abraham Gabbema. Als der zusammen mit seinen Leuten 1657 in dem fruchtbaren Tal erschien, regnete es in der Nacht. Als am nächsten Morgen jene rundgewaschenen Granitfelsen in der Sonne blinkten, schienen sie ihm wie gigantische Perlen und so benannte er den Ort als Perle.

Mehr und mehr Siedler ließen sich hier nieder und um 1875 gründete Arnoldus Pannevis das erste Institut für die neue, die südafrikanische Sprache. Pannevis war Lehrer für klassische Sprachen und scharte interessierte im „Genootskap van regte Afrikaners“ zusammen, die ihre ersten Treffen noch in den Häusern der einzelnen Mitglieder abhielten. 1876 erschien die erste Zeitung in der neuen Sprache, der „Afrikaanse Patriot“. Geschichten, Gedichte und Bücher wurden fortan in der neuen Sprache geschrieben. 1923 wurde Afrikaans Amtssprache und rund hundert Jahre nach Erscheinen der ersten Zeitung entschloß man sich zu jenem Denkmal, das man auf einem der Granitberge errichtete, sodass es von weither zu sehen ist.

Das außergewöhnliche Design hat eine besondere Bedeutung. Sieht man es aus der Ferne, fallen einem die drei großen Säulen auf. Die mittlere Säule überragt die beiden kleineren mit 57 Metern und verjüngt sich nach oben. Sie ist hohl und unter ihr sprudelt eine Quelle. Durch regelmäßig angelegte Öffnungen fällt Licht in das Innere dieser Säule. Sie soll das Wachsen der Sprache versinnbildlichen, wie die Quelle neue Anregungen und Modernität repräsentieren soll. Ihre Gemeinschaft mit den anderen beiden Türmen deutet auf den Beitrag der afrikanischen Geschichte hin und die Mauer, die das Monument umgibt, bezieht sich auf den Einfluß, den die malaysische Sprache ausübte.

„Das ist uns ernst“, ein Anspruch, der sich in den letzten Jahren sicherlich geändert hat, denn Afrikaans galt bis zum Zusammenbruch der Apartheid als die Sprache der weißen Herrscher. Fragt man weiße Südafrikaner nach Fakten über das Denkmal, werden sie einem irgendwann im Laufe des Gesprächs erzählen, daß der ANC, oder Strömungen des ANC nach der Regierungsübernahme beschlossen hatten, das Denkmal zu schleifen. Der Leiter des Sprachenmuseums in Paarl weist das ins Reich der Gerüchte. Eine eigentümliche Situation hat sich ergeben. Afrikaans ist nicht mehr die einzige Amtssprache. Sie muss sich ihren ehemals ersten Platz teilen mit Englisch, Xhosa, Zulu und Venda. Kaum jemand in der einfachen schwarzen Bevölkerung spricht jedoch englisch. In den elenden Siedlungen an den Rändern der Städte, zu denen keine Wegweiser führen, die auf keinem Straßenschild vermerkt sind, spricht man entweder Xsosa, Zulu, einen der vielen anderen Dialekte oder eben Afrikaans. Viele aus der weißen Landbevölkerung sind verbittert, denn sie lieben ihre Muttersprache, halten sie für reicher, für ausdrucksstärker als die englische, „und außerdem“ werden sie in einem Gespräch sagen, „hatten wir das nicht schon mal, das man versucht hat, uns hier am Kap das Englische aufzudrücken. Nein, wir werden unsere Muttersprache weitersprechen.“ So wird vielleicht der Satz, „Dit is ons Erns“ in den nächsten Jahren und Jahrzehnten seine Bedeutung vollends ändern.  Die Ernsthaftigkeit in vielen Sprachen und Dialekten zusammenzuleben und dennoch die einzigartige, reiche und blumige Sprache Afrikaans zu pflegen. Sie dahin zu bringen, dass sie nichts mehr ist, als eine Sprache unter anderen, die ihre Berechtigung haben, wie die Menschen, die sie sprechen.