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Der schwarze Douglas

Da gibt’s in Ronda, in dieser wunderbaren alten Bergstadt im Süden Spaniens, dieses alte Hotel Reina Victoria, indem seinerzeit Rilke gewohnt und eine seiner Elegien geschrieben hatte. Es war wohl Zufall, daß wir hier abgestiegen waren, denn das Haus ist nicht gerade kostengünstig. Alter englischer Pomp vergißt sich schnell durch die atemberaubende Aussicht vom Balkon und dankenswert ist die Küche, die spanisch und nicht englisch geführt wird. Dennoch viel erinnert an das Victorianische England, woher ja auch der Name kommt. Früher wurde das Hotel oft von Miltäroffizieren aus Gibraltar genutzt, heute, wie gesagt, ist es ein vier Sterne Hotel für Touristen, die Ronda besuchen.
 
Es war spät als wir ankamen und wir wollten eigentlich in die Stadt um etwas zu essen, verwarfen den Plan jedoch wieder und beschlossen, die Hotelküche auszuprobieren. Es war keine Überraschung für uns, daß wir im Speisesaal lediglich 2 andere Paare antrafen, denn es war später November.
 
Die Flasche Rioja hatten wir bereits bestellt, als ein Schotte, in vollem Wichs, mit Kilt, kleinem Dolch im Strumpf und allen anderen Zutaten in der großen Tür erschien und mit lauter Stimme und breitem schottischen Akzent fragte: “Ist hier jemand der Englisch und Spanisch spricht?” Wie das in solchen Situationen oft passiert, fühlte sich niemand angesprochen und die anderen Paare im Saal schauten entweder betreten zur Seite oder versuchten vorzutäuschen in ein sinniges Gespräch vertieft zu sein. Ich hob meine Hand und sagte mit ebenso lauter Stimme: “You’ve found one!” Er kam breit an unseren Tisch stolziert, beugte sich runter zu mir und sagte nun leiser: “Brauche jemanden, der mir und meiner Frau die Speisekarte erklärt.” Wir luden die beiden an unseren Tisch ein und versprachen in allen Essensfragen behilflich zu sein. Das Essen war gut und wir kamen ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus, Logan und Elain waren hier, um den Schwarzen Douglas zu ehren. Wir würden doch sicherlich vom Schwarzen Douglas gehört haben. Na den in Teba. Wir kennen Teba einigermaßen gut, es ist etwa 50km nordwestlich von Ronda gelegen und bekannt durch die alte Ruine. Was das mit dem Schwarzen Douglas zu tun hatte sollten wir umgehend erfahren.
 
Als Robert The Bruce, manche werden sich an den Film Braveheart erinnern und wissen, das der Ich Erzähler in dem Streifen, jener Robert The Bruce war. Und der hatte ja bekanntlich später Schottland vom Joch der Engländer befreit. Das macht einen natürlich zum Helden in Schottland, was dazu führte, daß als er starb, sein Herz in einem kleinen Metallbehälter ins gelobte Land und nach Jerusalem gebracht werden sollte. Dazu wurde jener Schwarze Douglas beauftragt, der sich auch sogleich mit einer beachtlichen Truppe aufmachte, um erstens das Herz dort abzuliefern und zweitens gleich noch ein wenig aufzumischen unter den Heiden da im fernen, heiligen Land. Dabei kamen er und seine Reiter durch die Gegend von Teba, was zu der Zeit fest in den Händen der Mauren lag. Die spanischen Hidalgos planten schon lange, diesen für sie, unerträglichen Zustand zu beenden. Und als sie hörten, daß eine Reiterschar aus dem fernen Schottland durchgeritten kam, sandten sie gleich einen Boten an den Schwarzen Douglas, um ihn zu fragen, ob er nicht bereit sei ihnen zu helfen die Mauren zu vertreiben. Als guter Schotte, der einer handfesten Keilerei nur ungerne aus dem Wege geht, sagte der Schwarze Douglas natürlich sofort zu. Nach einigen Vorbereitungen und Absprachen, die vermutlich lange Zeit in Anspruch nahmen, kam es zur Schlacht. Die Mauren, überrascht von der wilden Unterstützung und vermutlich in keinster Weise vorbereitet, verloren die Schlacht und das Gebiet um Teba. Der Schwarze Douglas jedoch, der kam bei den Gefechten leider um, und seine Truppe beschloß, daß es ohne denjenigen, der den Auftrag erhalten hatte das Herz in Jerusalem abzuliefern, nicht ging. So kam es, daß das Herz Robert The Bruces wieder in Schottland landete und nie im heiligen Land ankam. Die dankbare Spanier aber, die bauten ein Denkmal für den Schwarzen Douglas.
 
Soweit die Geschichte, wie gesagt wir kennen Teba, aber von einem Denkmal oder Monument zu Ehren des wackeren schottischen Edelmannes hatten wir noch nicht gehört.
Wir saßen nun seit einigen Stunden in dem Essenssaal, und die übrigen Gäste hatten sich bereits vor einiger Zeit verabschiedet mit diesen, nun ja, mit diesen Blicken, die eine Mischung aus Mißbilligung, ein wenig Neid und Unverständnis ausdrücken. Es war nach eins und mir wurde klar, daß selbst in einem Hotel Reina Victoria der spanische Way of Life gilt, als der Ober freundlich an unserem Tisch erschien und uns erklärte, er habe Frau und Kinder zu hause und müsse nun gehen. Alles was wir brauchten fänden wir in dem kleinen Raum gleich nebenan. Sprachs und verschwand. Wir jedoch saßen noch bis in die Morgenstunden und Logan kam nach kurzer Abwesenheit mit einem uralten, edlen Laphroiag zurück, den er für die morgige Ehrung mitgebracht hatte. Er erlaubte uns nicht mehr als die halbe Flasche, weil ja für den nächsten Tag gesorgt sein mußte. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen um 10 Uhr.
 
Teba lag verschlafen an diesem Tag, wie eigentlich immer um diese Jahreszeit und die paar Leute auf den Straßen mögen sich die Truppe Gringos verwundert angesehen haben, die da so geschäftig nach irgend etwas suchte. Es war bereits Mittag und wir waren noch nicht fündig geworden, als wir beschlossen ein kleines zweites Frühstück in einer der kleinen Bars einzunehmen. Ich hatte die Aufgabe der Bestellung übernommen und ging an den Tresen. Ein kleiner freundlicher Mann hatte mich sofort an meinem Akzent erkannt und sprach mich mit dem breitesten Hessisch an. Ob ich aus Deutschland sei. Mir ist glaube ich noch nie in so kurzer Zeit ein gesamter Lebenslauf erzählt worden und ich wartete geduldig, bis sich eine Gelegenheit ergab, ihn nach dem Denkmal des Schwarzen Douglas zu fragen. “Aber natürlisch, des isch gleisch umsch Egg!”
 
Nach unserem kleinen Frühstück standen wir dann im Zentrum des kleinen Örtchens vor dem Denkmal, das wir etliche Male gesehen, aber nie wirklich betrachtet hatten. Ein kleiner runder Platz mit einer Säule in der Mitte, auf der die Geschichte in kurzen Worten erklärt ist. Logan und Elaine hatten nicht nur den Whisky mitgebracht sondern auch eine kleine Distel, das Wahrzeichen der Schotten. Die wurde auf die Kante des Denkmals gelegt, jeder bekam ein kleines Glas und feierlich tranken wir auf den Schwarzen Douglas, zwei Schotten in ihrer Tracht und zwei Deutsche aus Somerset in Urlauber Tracht.
Dem Schwarzen Douglas, nehme ich einmal so an, wird es eine Ehre gewesen sein.